Inhalte entdecken

Eine Reise nach Jerusalem mit Alfred Bodenheimer

Lesetipp Sommer 2023:
Eintauchen in andere Welten, Gemeinschaften, Mentalitäten. Ein Interview mit Prof. Alfred Bodenheimer zu seinen Kriminalromanen.

Interview
mit Prof. Alfred Bodenheimer, Autor der «Rabbi Klein»-Krimis und dem neusten Roman «Mord in der Straße des 29. November».

Interview mit Alfred Bodenheimer

INFOREL: Herr Bodenheimer, zum Einstieg würde ich Sie bitten, einen kurzen Teaser zu geben, worum es in Ihren Büchern – der «Rabbi Klein»-Serie und Ihrem neusten Roman – geht.

Alfred Bodenheimer: In der «Rabbi Klein»-Serie geht es um einen Zürcher Rabbiner, der immer wieder in Kriminalfälle hineinschlittert; der, von seiner Neugier getrieben, manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich ermittelt. In der neuen Romanserie geht es um die Polizeipsychologin Kinny Glass in Jerusalem. Sie wird teilweise direkt in die Polizeiarbeit mit einbezogen, ermittelt aber auf ihre eigene Art, um an Menschen und Informationen heranzukommen im politisch ziemlich brisanten Umfeld von Jerusalem.

Meine Krimis sind jetzt nicht von der bluttriefenden, Sorte, sondern es geht mehr darum, das Milieu kennenzulernen, in dem sich die ErmittlerInnen bewegen. Mit den Charakteren selbst nachzudenken und sich in sie hineinzufühlen … Mir geht es um das ganze Gefüge in diesem Milieu. Das ist genau das, was mir Spass macht am Schreiben – das Arbeiten mit Personen, einem eigenen Kosmos. Es ist wohl auch das, was den meisten meiner KrimileserInnen Freude macht: Dass man es spannend findet, wie Beziehungen funktionieren oder eben auch nicht funktionieren zwischen Menschen mit ihren Eigenheiten.

I: Da stellt sich die Frage, wie es zu diesem Wechsel kam, von Rabbi Klein in Zürich zu Kinny Glass in Jerusalem?


A.B.: Ich lebe und verbringe neben meiner Basler Tätigkeit einen grossen Teil meines Lebens in Jerusalem. Darum bin ich mit den Umständen dort gut vertraut. Beim vorerst letzten der Rabbi-Klein-Bücher habe ich vor zwei Jahren von Nagel und Kimche zum Kampa Verlag gewechselt. Es war eigentlich die Idee des Verlegers, Daniel Kampa, bei ihm nicht einfach nur mit dem sechsten Buch der «Rabbi Klein»-Serie einzusteigen – einer Serie, die bereits eingeführt ist – sondern mit dem Verlagswechsel auch etwas Neues zu beginnen. Damit verband er die Idee, über Jerusalem zu schreiben. Besonders reizte ihn die Vorstellung, dass hier jemand über Israel schreibt, der gleichzeitig auch den Erwartungshorizont der LeserInnen im deutschsprachigen Raum kennt.Ich habe mir dann auch überlegt, was für eine Ermittlungsperson ich einführen will … Dazu habe ich mir alle möglichen Gedanken gemacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich jemanden nehmen sollte, der mehr oder weniger das Gegenteil zu Rabbi Klein darstellt. Also keinen Mann, sondern eine Frau. Und zwar eine Frau, die selbst bei der Polizei ist, aber nicht unmittelbar in den Ermittlungen drinsteckt, sondern eine Art Randfigur. Sie hat auch nicht wie Rabbi Klein ein gut funktionierendes Familienleben, sondern ist geschieden. Eine Person mit sehr viel komplexeren Verhältnissen, auch gegenüber ihrer Tochter und ihren Eltern. Kinny Glass ist auch nicht orthodox wie Rabbi Klein, sondern lebt säkular. Eine solche Anti-Figur zu Rabbi Klein, und vor allem auch das Denken aus der Perspektive einer Frau, das war für mich eine ziemlich grosse Herausforderung, aber auch der Reiz an der Sache.

I: Spannend … Wie gut lernt man also Jerusalem und Israel kennen, wenn man Ihren Krimi liest?


A.B.: Ich glaube, man lernt einiges. Leute, die schon in Jerusalem waren, erkennen Ortsangaben im Buch wieder. Es gab sogar LeserInnen, die diese Orte dann abgelaufen sind, als sie hier herkamen, ein Bekannter hat mir ein Selfie vom “Tatort” geschickt. Man bekommt also vielleicht einen kleinen Eindruck der Geografie.

Aber es geht mir vor allem um das Darstellen der Mentalität der Menschen. Denn ich habe selbst gemerkt, als ich diesen Jerusalem-Krimi geschrieben habe, dass ich die Personen wirklich auch anders gedacht habe als in Schweizer Kontexten– und zwar vor allem in ihren Begegnungen. Die Dialoge sind sehr viel direkter, ungeschminkter, je nachdem auch ein bisschen schroffer. Auch die gesellschaftlichen Verhältnisse sind in Israel andere, das habe ich versucht, etwas einzubringen. Ich habe mich stark in diese Atmosphäre hineingedacht, die eine andere ist als bei den Schweizer «Rabbi Klein» Romanen. Und ich glaube, das kommt im Buch rüber.

Dann ist auch das Spezielle an diesem Roman, dass er während des Lockdowns spielt – der erste Lockdown vom Frühjahr 2020. Die Einsamkeit zu Hause, die Komplikationen in den zwischenmenschlichen und familiären Beziehungen spielen deshalb auch eine gewisse Rolle. Dabei kommt auch zur Geltung, dass in Israel die Corona-Politik ein bisschen anders war als in der Schweiz. Zum Beispiel musste man eine Zeitlang auch draussen eine Maske tragen und durfte sich innerorts ausser zum Einkaufen nur im Radius von 500 Metern bewegen. Naja, so oder so werden sich viele an diese Zeit nicht mehr so gerne erinnern wollen…

I: Haben Sie ein Lieblingsbuch unter Ihren eigenen Büchern?


A.B.: Nein, ich habe kein Lieblingsbuch. Jedes ist ein Abdruck aus der Zeit, in der ich es geschrieben habe, und das ist auch gut so, da steht jedes für sich. Das Jerusalem-Buch ist aber schon auch gedacht für Leute, die sich für Israel interessieren und einen Einblick gewinnen möchten. Die «Rabbi Klein» Bücher sind für Leute, die gerne Bücher haben, die im Schweizer Milieu spielen und das jüdische Milieu innerhalb der Schweiz kennenlernen möchten – von innen heraus, was einem ja oft nicht zugänglich ist. Also die Innenansicht eines Minoritäten-Milieus.

I: Hier können wir den Bogen schlagen zu unserem Interview mit Erik Petry, mit dem wir über den jüdischen Witz gesprochen haben. Sie haben selbst dieses Semester an der Universität Basel eine Veranstaltung dazu angeboten – kommt der jüdische Witz auch in Ihren Büchern vor?


A.B.: Gerade bei den «Rabbi Klein» Romanen ist mir schon auch wichtig, dass es Humor und Ironie drin hat. Und das ist bei Rabbi Klein auch eines der Elemente, das die Leute besonders mögen: dass es nicht immer ganz so todernst daherkommt, sondern eben auch etwas Ironie und Selbstironie mitschwingt, auch in der Form, wie das Judentum geschildert wird, in seinen manchmal auch unfreiwillig komischen Aspekten.

Randbemerkung: Der fiktive Rabbi Klein der Romanserie ist ein orthodoxer Rabbiner in der Zürcher Einheitsgemeinde. Diese ist gemischt in der gelebten Religiosität und hat nicht nur orthodoxe Mitglieder, wird aber von einem orthodoxen Rabbiner geleitet.

I: Auf der Verlagsseite habe ich gelesen, dass sie gerne mit Musik im Ohr schreiben –


A.B.: Oh, das hätte ich nie sagen sollen ... Seither werde ich ständig darauf angesprochen! [lacht]

I: [lacht] Eigentlich wollte ich ja wissen, ob Sie eine Empfehlung für ein Lied oder ein Stück haben, das man hören sollte, während man ihre Bücher liest …


A.B.: Ach so! Ja, da habe ich sogar eines, dass mir besonders gut gefällt. Das ist von Beethoven, Concerto No. 1 in C Major. Mit der fantastischen georgischen Pianistin Khatia Buniatishvili als Solistin.

I: Toll, vielen Dank – das untermalt dann das Leseerlebnis diesen Sommer!

Zur Person

Alfred Bodenheimer
Geboren 1965; Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel. Autor von Kriminalromanen und wissenschaftlichen Publikationen wie «Haut ab! Die Juden in der Beschneidungsdebatte».

Zu den Kriminalromanen

Der neuste Roman «Mord in der Straße des 29. November» (2022) führt mit einer neuen Protagonistin in die Welt in Jerusalem ein – samt brisanter politischer Lage.
Die sechsteilige «Rabbi Klein» Krimi-Serie zeigt den fiktiven Zürcher Rabbiner, wie er mit viel Witz und Humor das Schweizer jüdische Milieu navigiert.

Neuster Roman: hier erhältlich
Weitere Publikationen

Foto von Bruno Biermann

Vielen Dank an Sie! Ihr Eintrag wurde gesendet.
Hoppla! Beim Absenden des Formulars ist etwas schief gelaufen. Bitte versuchen Sie es später noch einmal..