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«Muslimisch jüdisches Abendbrot» Jenseits von Polarisierung

Ein Vorzeigebeispiel für muslimisch-jüdische Beziehungen: Das Ehepaar Cheema und Mendel. Wir haben mit Saba-Nur Cheema gesprochen – nicht über das Geheimnis ihrer Ehe – sondern über «das Miteinander in Zeiten der Polarisierung», wie es in ihrem neuen Buch heisst.

Interview
mit Saba-Nur Cheema Politologin, Publizistin und Antirassismus-Trainerin
Bildquelle
© Ali Ghandtschi

Interview

INFOREL: Sie und ihr Mann Meron Mendel sind im Diskurs um Antisemitismus und Rassismus, der im letzten Jahr enorm an Aufmerksamkeit gewonnen hat, nicht mehr wegzudenken. Gestern war der 7. Oktober 2024 und damit jährt sich der Angriff der Hamas auf israelische Zivilbevölkerung. Wie haben sie den Tag erlebt?

Saba-Nur Cheema: In erster Linie in Trauer und Gedanken an das, was genau vor einem Jahr passiert ist. Wir haben Freunde und Familie, die unmittelbar in der Nähe des Gazastreifens leben. Die Enkelin eines Familienfreundes ist noch in Geiselhaft, das heisst, eigentlich ist jeder Tag ein Tag des Erinnerns. Gestern haben wir viel über den 7. Oktober vor einem Jahr gesprochen und auch über das, was seitdem alles passiert.

Danke, dass Sie das teilen. Wir möchten unser Mitgefühl aussprechen. Sie haben kürzlich mit ihrem Mann das Buch «Muslimisch jüdisches Abendbrot. Das Miteinander in Zeiten der Polarisierung» veröffentlicht. Dafür haben Sie nun auch das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Wie sind die Reaktionen auf ihre Arbeit?

Bei unserer Lesetour sind unsere Reaktionen überwiegend positiv. Die Menschen sind sehr dankbar. Ihnen tue es gut, dass sie auch andere Stimmen hören, die nicht in der binären Logik sprechen, gerade wenn es um den Nahostkonflikt geht. Denn in der öffentlichen Debatte und insbesondere in den Sozialen Medien mutet es an, man müsse sich auf eine Seite stellen. In Sozialen Medien wird gefragt: «Auf welcher Seite stehst du; Du kannst entweder solidarisch mit den Palästinensern oder den Israelis sein!» Was wir hingegen versuchen zu sagen ist, dass man beides gleichzeitig sein kann: wer solidarisch mit Israelis ist, kann auch solidarisch mit Palästinensern sein. Es ist kein Wiederspruch, Israelis und Palästinenser darin zu unterstützen, friedlich zusammen zu leben. Ich merke, in den Räumen, in denen mein Mann und ich uns bewegen, nehmen die Menschen diesen Gedanken an.

Sie erhalten also viel Resonanz, dass Menschen gemeinsam trauern möchten.

Ja, und auch dass wir erkennen: Es geht uns gut in Deutschland und es geht nicht um uns. Wir sind privilegiert, dass wir uns hier über die Art und Weise der Debatte über den Nahostkrieg ärgern, dort hingegen geht es jeden Tag um Leben und Tod. Die Menschen vor Ort retten wir nicht durch einen Instagrampost. Es gibt Kräfte vor Ort in Israel und Palästina, die sich für Frieden einsetzen, die können wir unterstützen. Die werden leider medial viel zu wenig gezeigt. Stattdessen wird der Fokus auf die extremistischen Kräfte gelegt, sprich rechtsextreme Minister in der israelischen Regierung und auf der anderen Seite die Hamas. Den Frieden können wir erst erreichen, wenn wir auf beiden Seiten die gemässigten Seiten stärken und das auch von den Regierungen unserer Länder fordern. Was wir hier tun, polarisieren, uns spalten und den Druck in den Debatten zu erhöhen, das hilft niemanden.

Inwiefern müssen wir uns hier in Europa mit dem Krieg in Nahost auseinandersetzen?

Der Krieg ist das Thema, was die Gesellschaft aktuell prägt und spaltet, deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Durch die Ereignisse stellt sich auch die Frage, wie wir als Gesellschaft zukünftig leben wollen. Wir sprechen ja schon länger von einer Zeitenwende, spätestens seit dem Krieg zwischen Russland und Ukraine Es stellt sich uns die Frage: «In welcher Welt leben wir?» Dazu eine Haltung zu entwickeln, scheint mir unabdingbar! Ich würde die These aufstellen, dass das auch jede, jeder automatisch tut. Auch weil wir hier in einer Migrationsgesellschaft leben, in der viele mit den betroffenen Regionen Israel, Palästina, Libanon verbunden sind. Der Krieg betrifft uns als Gesellschaft.

Wir sind hier privilegiert, aber auch strapaziert durch die Ängste, Trauer und Spaltungen. «Muslimisch jüdisches Abendbrot» das klingt stärkend, nährend. Was stärkt sie in dieser Zeit?

Cheema: Es sind die vielen, aber zu leisen Stimmen, die die Differenzierung möchten. Die von der Polarisierung in den öffentlichen Debatten müde sind, sei es, wenn es um den Nahostkonflikt, Klimawandel oder Rassismus geht. Häufig sind es die Gespräche mit den Menschen in den Lesungen und anderen Veranstaltungen, die mich stärken und die Zuversicht geben, optimistisch zu bleiben.

Herzlichen Dank, Saba-Nur Cheema, dass Sie sich in ihrer Elternzeit die Zeit für dieses Interview genommen haben.


INFOREL verlost drei Exemplare via Newsletter. (Bildquelle: INFOREL)
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